Der Zirkus Sarrasani wird zum "Theater der 5000" - Eine vergessene Episode Dresdner Kinogeschichte
Text und Abbildungen: Andreas Them, Verein „Dresdner Geschichtsmarkt“ e. V.

Es war Anfang 1914 das Dresdner Stadtgespräch. Der Zirkus Sarrasani wird für einige Wochen zu Filmaufführungen umgebaut. So hatte es der Hauseigentümer - Direktor Stosch-Sarrasani - sensationell angekündigt. Mit weit über 4.000 Sitzplätzen entsteht die "größte kinematographische Schaustätte der Welt". Erst an zweiter Stelle folgte nun das "Theatre Goumont" in Paris. Jenes hatte etwa tausend Zuschauerplätze weniger. Und deren Eintrittspreise waren dreimal so hoch, wie im Dresdner Zirkusgebäude. Die Neugier zahlreicher potentieller Besucher war geweckt.



Am 30. Januar 1914 dann die Premiere des Filmes "Atlantis". Der Autor war der bekannte deutsche Schriftsteller Gerhart Hauptmann. Maritime Themen, verbunden mit einem Hauch Dramatik, waren damals sehr beliebt. Über zwei Stunden dauerte die Aufführung des neuesten filmischen Kunstwerks. Fast 19.000 Besucher bereits in den ersten drei Tagen, vermeldeten die örtlichen Tageszeitungen. Die Abend-Veranstaltungen waren meist ausverkauft.

Dezente Hinweise folgten, die Nachmittags-Vorstellungen (Beginn 4.00 Uhr) zu nutzen. Und immer wieder der Hinweis, dass die Anzahl der "Atlantis"-Aufführungen begrenzt ist. "Die Reklametrommel war tüchtig gerührt worden", so dass ein Erfolg nicht ausblieb. Natürlich erzeugte das erlassene Verbot der Dresdner Polizei, Kindern und Jugendlichen den Besuch der Filmaufführungen nicht mehr zu gestatten, für weitere Besucherrekorde. In 16 Tagen wurden 75.000 Eintrittskarten verkauft.



Nach dem grandiosen Erfolg folgte schon bald die zweite Kinopremiere im Zirkus Sarrasani. Deren Titel lautete "Das geheimnisvolle X". Es war die erste Uraufführung eines "sechsaktigen modernen Kriegs- und Spionagefilms" in Dresden. Im Monat März 1914 gab es erst einmal wieder die üblichen Zirkusvorstellungen mit vielen neuen Attraktionen.

Am ersten Osterfeiertage 1914 aber öffneten die Pforten des Zirkusgebäudes wieder für eine neue Filmveranstaltung. "Nun hat sich die Flimmerkunst auch an die Verfilmung des großen Phantasten Jules Verne herangemacht", war in den örtlichen Tageszeitungen zu lesen. Vierzig Jahre vorher erschien erstmals der Roman "Die Kinder des Kapitäns Grant". Über zwei Jahre dauerten die Dreharbeiten. Teilweise eine Weltreise für die gesamte Filmcrew. "Südamerika mit seinen Kordilleren, das australische Steppenland, der Schrecken des Stillen Ozeans" war nun auf der großen weißen Leinwand des Zirkusgebäudes - in lebendigen Bildern - zu erleben.


Den Ankauf der Aufführungsrechte wertete Direktor Stosch-Sarrasani als einen großen Erfolg. Besonders aber auch, dass die filmische Umsetzung auch für die nachmittäglichen "Jugend-Vorstellungen" freigegeben wurde. Auf zusätzliche große Reklamezettel wurde dieses Mal verzichtet. Der Hinweis: "Die Kinowoche wird auf keinen Fall die Frist von acht Tagen überschreiten, da für das Ende des Monats April eine anders geartete Vorführung auf dem Programm des Theaters der Fünftausend steht", sorgte für einen zusätzlichen Publikumsansturm. Am 19. April 1914 gab es dann die letzte Filmaufführung im Zirkus Sarrasani. Neue Pläne scheiterten letztendlich wenige Monate später mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges.